Kompressortechnologie in der Kältetechnik

Kälte ist per Definition keine eigene Energieform, sondern ein Ungleichgewichtszustand. Dem Ort, an dem Kälte erzeugt werden soll, muss Wärme entzogen werden. Die Wärme fließt also aus dem Energieüberschuss in der warmen Umgebung in Richtung Energiedefizit im zu kühlenden Raum. Technologisch gesehen ist dieser Prozess wesentlich komplexer als die Wärmeerzeugung, die die Menschen seit vielen hundert Jahren beherrschen.

Die erste funktionierende Kältemaschine der Welt wurde 1845 von dem amerikanischen Arzt John Gorrie gebaut, um damit Krankenzimmer zu kühlen (1). Sie war aber ein finanzieller Misserfolg. In den 1870er Jahren machte sich Carl von Linde das Prinzip der Kältemaschine zu Nutze. Er entwickelte Kompressionskälteanlagen für Brauereien, um die Lagerung des Bieres zu revolutionieren und zu vereinfachen. Auch im Labor ist Kälte unersetzlich. Neben Kühlschränken, Kühlbrutschränken und Klimaschränken, die wie zu Lindes Zeiten durch eine Kompressionskälteanlage gekühlt werden, hielten in den vergangenen Jahren Peltier-temperierte Geräte Einzug. Sie versprechen vor allem einen reduzierten Energieverbrauch im konstanten Teillastbetrieb. Ein Entscheidungskriterium, das in Zeiten von Klimawandel, knappen Ressourcen und steigenden Energiekosten immer wichtiger wird.

(1) Plank, Rudolf (Hrsg). Handbuch der Kältetechnik. Springer-Verlag, 1954

 

Kältemaschine nach Linde (Kompress-Technologie)

Labor-Kühlbrutschränke gehen wie Haushaltskühlschränke auf das Prinzip der Kompressionskältemaschine zurück. Durch das Kälteaggregat wird dem Geräteinneren Wärme entzogen und anschließend an die Umgebung abgegeben. Jedoch wird die Kältemaschine im Unterschied zu einer Peltier-Kühleinheit mechanisch, durch einen Motor, angetrieben. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um einen Elektromotor.

Das Kompressor-Prinzip macht sich die Tatsache zunutze, dass beim Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand thermische Energie benötigt wird.

 

Kältekreislauf in einer Kompressionskältemaschine

Durch das Rohrsystem der Kältemaschine zirkuliert ein Kältemittel, das bei Normaldruck einen Siedepunkt weit unter dem Gefrierpunkt von Wasser besitzt und auch bei niedrigen Temperaturen vom flüssigen in den gasförmigen Zustand wechseln kann. Im Verdampfer im Geräteinnenraum nimmt es die Wärme von eingebrachten Proben oder Lebensmitteln auf, woraufhin es verdampft. Der Kompressor verdichtet das Kältemittel anschließend unter hohem Druck, wodurch sich der Siedepunkt auf Zimmertemperatur erhöht, und der Kondensator an der Geräteaußenseite gibt die aufgenommene Wärme an die Umgebung ab. Das Kältemittel kühlt ab und geht in den flüssigen Zustand über. Im Drosselventil wird der Druck wieder herabgesetzt, der Siedepunkt sinkt und der Prozess beginnt von Neuem. Diese sich ständig wiederholenden Phasenübergänge zwischen flüssig und gasförmig sind es, die die Kälteerzeugung nach dem Kompressor-Prinzip so energieaufwändig machen (4).

(4) Danfoss, Unternehmen. Kältetechnik-Einführung in die Grundlagen. 2007

 

Kompressor-Technologie im Kühlbrutschrank und Klimaprüfschrank

In manchen Kühlbrutschränken und Klimaschränken zirkuliert temperierte Luft in einem Luftmantel um den Arbeitsraum. Gekühlt wird mit Kompressortechnologie, beheizt mit einem Ringheizkörper. Im Arbeitsraum unterstützt ein Lüfter die optimale Temperatur (und Feuchteverteilung). Es existieren jedoch auch eine ganze Reihe anderer technischer Lösungen auf dem Markt. Andere Hersteller platzieren den Verdampfer oder das System für die Luftführung im Innenraum.

Was ist für mich das Richtige?

Bei der Entscheidung für und gegen die Kompressortechnologie oder Peltier-Technologie lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Es steht immer die spezifische Anwendung im Vordergrund und in der Regel sind die Geräte für definierte Prozesse ausgelegt.

Folgende Kriterien sind dabei zu berücksichtigen:

  • Energieeffizienz
  • Temperaturhomogenität und -konstanz
  • Aufheiz-, Abkühl-, und Erholzeiten
  • Laufruhe und Geräuschpegel
  • Umgebungstemperatur / Bedingungen am Aufstellort
  • Temperaturbereiche (Minusgrade)
  • Kältemittel
  • Service und Wartung

Anwendung in Klimaprüfschränken und Kühlbrutschränken mit Kompressortechnologie (Beispiele)

Hauptvorteile Kompressor-Klimaprüfschränke:
Hohe Flexibilität bei großem Anforderungsspektrum:

  • Temperaturbereiche von Minus bis Plus
  • Photostabilitätsprüfungen in Kombination mit vielen Temperatur-Feuchte-Kombinationen
  • schnelle Temperatur- /Klimawechselprüfungen
  • hohe Wärmekompensation

Hauptvorteile Peltier-Klimalagerschränke:

  • Bei konstantem Lagerklima hohe Energieeffizienz
  • geringere Ausfallwahrscheinlichkeit der Peltier-Elemente
  • leiser Betrieb

Technologievergleich Peltier-Kühlelement und Kompressorkühlung

Wie ist der Aufbau?
Die konstruktiven Unterschiede der beiden Kühltechnologien bringen für den Anwender spezifische Vorteile mit sich. Ein Peltier-Gerät kann kompakter gebaut werden, da kein zusätzlicher Bauraum für eine Kältemaschine benötigt wird. Aufgrund einer geringen Anzahl mechanischer Bauteile, wie Pumpen, Filtern und Rohrleitungen, ist die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls geringer und die Wartung einfacher. Wartungen an Kühlkompressoren dürfen nur von Spezialisten mit spezieller Zertifizierung durchgeführt werden. Darüber hinaus arbeiten Peltier-Geräte annähernd vibrationsfrei sowie durch rehzahlgeregelten Lüfterbetrieb geräuscharm. Der Verzicht auf ein Kältemittel schlägt bei den laufenden Betriebskosten und der Klimafreundlichkeit zu Buche. Durch die Umkehr des Stromflusses werden Peltier-Elemente in vielen Geräten auch zum Heizen verwendet. Dies macht eine eigene Heizquelle im Kühlbrutschrank oder Klimaprüfschrank überflüssig. Darüber hinaus können Temperaturzyklen mit der gleichen Heiz-Kühl-Einheit gefahren werden.

Wie ist die Regelbarkeit?
In der Labortechnik bieten kompressorgekühlte ebenso wie Peltier-Geräte eine sehr hohe Regelgenauigkeit. Peltier-Elemente reagieren jedoch unmittelbar und ohne Kühlmedium, da alles elektrisch betrieben wird.

Klimaprüfungen und Feuchtelagerungen in der Industrie

Elektronische Bauteile sowie Komponenten aus Metall und Kunststoff werden in der Industrie einer ganzen Reihe an Korrosion-, Klima- und Temperaturprüfungen unterzogen, um den Einfluss von Umwelteinflüssen auf Material und Funktionsfähigkeit zu untersuchen. Bei definierten Klimaverläufen und Wechselklimaten empfiehlt sich ein Klimaprüfschrank mit Kompressortechnologie.

Werden die Prüflinge nur im Konstantklima gelagert, ist ein Peltier-Klimaprüfschrank aufgrund seiner Energieeffizienz, seiner Ausfallsicherheit und der Wartungsfreiheit im Vorteil.

 

Schaukeltests
Hauptvorteile Kompressor-Kühlbrutschrank:

  • schnelle Aufheiz- und Abkühlzeiten
  • schnelle und präzise Wechsel von Aufheiz- und Abkühlphasen
  • sparsam im Energieverbrauch
  • geeignet für hohe Temperaturdifferenzen

In der Lebensmittel- und Pharmaentwicklung werden neue Rezepturen in thermischen Belastungstests oft definierten Wärme-Kälte-Zyklen ausgesetzt, um die Einflüsse auf die Stabilität zu untersuchen. Bei diesen erheblichen Temperaturdifferenzen von 40 K und mehr empfiehlt sich der Einsatz eines Kompressor-Kühlbrutschranks.

 

ICH-Guidelines Q1A und Q1B

Stabilitätstest in Kühlbrutschränken nach ICH Guideline Q1A (R2)
Diese Richtlinie beschreibt die kontrollierten Lagerbedingungen (Temperatur und Feuchte) und die Lagerdauer für Stabilitätstests von Fertigarzneimitteln und Wirksubstanzen für die verschiedenen Klimazonen auf der Erde. Die chemisch-physikalische Stabilität nach dem Ende der Prüfungen ermöglicht Aussagen zur Haltbarkeitsdauer und zu den Lagerungsbedingungen.


Stabilitätstest in Kühlbrutschränken nach ICH Guideline Q1B, Option 2 (Photostabilität)
Mit einer Beleuchtungseinheit, die Tageslichtleuchten und UV-Licht kombiniert, kann zusätzlich nach den ICH Guidelines Q1B, Option 2 (Photostabilität) geprüft werden. Die Richtlinie macht keine Vorgaben für Feuchtegehalt und Temperatur während der Prüfung. Dennoch kann man sich mit einem Klimaschrank mit regelbarer Temperatur, Feuchte und separat regelbarer Beleuchtungsstärke für Tageslicht und UV-Licht die Möglichkeit offenhalten, Photostabilität auch für definierte Luftfeuchtigkeiten zu prüfen. Neben der hohen Flexibilität bei den Prüfungen spricht für diese Geräte der geringe Wärmeeintrag durch die Beleuchtungseinheiten im Vergleich zu den Xenon-Lampen gemäß ICH Guideline Option 1.
 

 

Literaturhinweise
Memmert Whitepaper | 02/2021
Memmert GmbH + Co. KG | www.memmert.com